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Beschluss des Vergabesenats des OLG Düsseldorf vom 18.10.2000
Az.: Verg 3/00

In einem Beschluss zur öffentlichen Ausschreibung und zur Beauftragung von Versicherungsmaklern durch Kommunen wird die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Rostock vom 29. September 1999) hinsichtlich der Vergabe von Versicherungsdienstleistungen im Ergebnis bestätigt bzw. vertieft. Demnach ist im Rahmen des Vergabeverfahrens für kommunale Versicherungsdienstleistungen in zweifacher Hinsicht eine restriktive Vorgehensweise geboten. Dies gilt zum einen hinsichtlich der Vergabeart. Das Gericht bestätigt ausdrücklich den absoluten Vorrang des offenen Verfahrens gegenüber dem sogenannten Verhandlungsverfahren. Zum anderen gilt dies bei der Einschaltung von Versicherungsmaklern.

Folgender Sachverhalt lag dem Rechtsstreit zugrunde:

Ein Landkreis beauftragte einen Makler mit der Durchführung einer europaweiten Ausschreibung von Versicherungsleistungen unter anderem für die Sachversicherungen. Dieser sollte auch die weitere Betreuung der Verträge nach der Auftragsvergabe übernehmen.

Grundlage war eine Maklervereinbarung, nach der keine Kosten für die Tätigkeiten des Maklers vom Landkreis unmittelbar zu tragen waren. Der Makler wollte seine Kosten über Courtageforderungen gegenüber den Versicherern abdecken, die den Zuschlag erhalten sollten.

Der Makler führte die europaweite Ausschreibung als Bevollmächtigter des Landkreises im Verhandlungsverfahren durch, ohne konkret Courtageforderungen weder in der Veröffentlichung der Ausschreibung noch in den Ausschreibungsunterlagen zu benennen.

Die GVV-Kommunalversicherung ließ das Verfahren nach vergeblichen Versuchen, dessen Korrektur zu erreichen, mit Erfolg nachprüfen.

Einschaltung von Versicherungsmaklern

Der Beschluss stellt klar, dass eine fast vollständige Übertragung eines Ausschreibungsverfahrens auf den Makler nicht zulässig ist, wobei offen gelassen wird, ob überhaupt Makler in ein solches Verfahren eingebunden werden können.

§ 6 Nr. 3 VOL/A, wonach es zu den Grundsätzen der Vergabe gehört, dass Leistungen unter ausschließlicher Verantwortung der Vergabestellen an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Bewerber zu angemessenen Preisen zu vergeben sind, macht es als Mussvorschrift zur Pflicht der Vergabestellen, selbst, d.h. in eigener Verantwortung das Vorhandensein der in der Vorschrift geforderten Eigenschaften bei den Bewerbern und auch die Angemessenheit der Preise der zu vergebenden Leistungen zu prüfen. Daran hat sich die mögliche Delegation von Befugnissen auf Dritte im Rahmen der Abwicklung von Vergabeverfahren zu orientieren. Dies kann schnell zu einer unzulässigen und rechtswidrigen Delegation von Verantwortung führen.

Eine unzulässige Delegation liegt auf jeden Fall dann vor, wenn der Dritte, dem die Gestaltung und Durchführung des Vergabeverfahren fast vollständig übertragen worden ist, unmittelbar oder mittelbar an der betreffenden Vergabe i.S.d. § 6 Nr. 3 VOL/A beteiligt ist.

Eine solche - unzulässige - Beteiligung ergibt sich nach Auffassung des Senates bei der Einschaltung eines Maklers bei der Vergabe von Versicherungsleistungen im Wesentlichen unter zwei Aspekten:

1. so weit sich Versicherer an der Ausschreibung beteiligen, mit denen der eingeschaltete Makler schon vorab Courtagevereinbarungen geschlossen hat, Rahmenverträge bestehen oder ständige Geschäftsbeziehungen unterhalten werden.

Diese eigenen unternehmerischen Belange des Maklers sind objektiv geeignet, das Interesse an einem bestimmten Ergebnis des Vergabeverfahrens - bewusst oder unbewusst - zu wecken. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn sich der kommunale Auftraggeber für den Fall, dass mit dem den Zuschlag erhaltenden Versicherer eine Courtagevereinbarungen nicht zustände käme, bereiterklärt, die Courtage selbst zu entrichten. Denn jeder effiziente Versicherungsmakler hat ein Interesse daran, nicht auf ein solches subsidiäres Provisionsversprechen des Auftraggebers zurückgreifen zu müssen. Gänzlich unzulässig ist es in diesem Zusammenhang, die Courtageforderung des Maklers in den Ausschreibungsunterlagen nicht verbindlich für alle Interessenten vorzugeben. Aber selbst wenn dieses geschieht, bleibt die Gefahr der Präferenz des Maklers für Versicherer, mit denen er regelmäßig zusammenarbeitet.

2. die vereinbarte anschließende Betreuung und Verwaltung der durch die Vergabe zustandekommenden Versicherungsverträge durch den Makler.

Auch in diesem Fall besteht ein erhebliches objektives Interesse des Maklers, den Zuschlag an einen Versicherer zu erteilen, der mit ihm zukünftig auch problemfrei zusammenarbeiten wird. Auch diese Zukunftserwartung ist objektiv geeignet, das Interesse an einem bestimmten Ergebnis des Vergabeverfahrens - bewusst oder unbewusst - zu wecken.

Die treuhänderähnliche Stellung des Versicherungsmaklers gegenüber dem Auftraggeber hat keine Bedeutung in dem Vergabeverfahren, so weit es um den Schutz der im Wettbewerb stehenden Bieter geht, die ein Recht darauf haben, dass der Auftraggeber nicht zu viel Verantwortung auf die Versicherungsmakler delegiert.

Vorrang des offenen Verfahrens

Das Gericht bestätigt ausdrücklich den Vorrang des offenen Verfahrens auch bei der Vergabe von Versicherungsdienstleistungen. Auch hier gilt der Grundsatz, dass die Abweichung von der öffentlichen Ausschreibung - d.h. dem offenen Verfahren - die Ausnahme von der Regel ist. Es ist immer eine strenge Prüfung erforderlich - ggf. durch Hinzuziehung eines externen Fachspezialisten -, ob die vertraglichen Spezifikationen hinreichend genau festgelegt und beschrieben werden können, ohne das Ziel zu verfehlen, den Auftrag auf das beste Angebot zu vergeben. Dies folgt schon aus übergeordneten vergaberechtlichen Grundsätzen, insbesondere dem Wettbewerbs- und dem Transparenzgrundsatz; hierdurch soll ein fairer Wettbewerb sichergestellt und allen Teilnehmern an der Ausschreibung die gleiche Chance eingeräumt werden. Die Wettbewerbslage soll nicht durch nachträgliche Zugeständnisse von Bietern verändert werden; auch soll ausgeschlossen sein, dass einzelne Bieter bevorzugt werden.

Maßgebend ist der jeweils konkret eingeforderte Versicherungsbedarf. Handelt es sich um gängigen Versicherungsschutz, um die Zusammenlegung von Risiken oder selbst um Allgefahrendeckungen, kann dies eindeutig beschrieben und im offenen Verfahren ausgeschrieben werden.

Sollte sich dies in einem Einzelfall anders darstellen, ist der öffentliche Auftraggeber verpflichtet, die hierfür maßgebenden tatsächlichen Umstände darzulegen. Denn ihn trifft die Beweislast für die Tatsachen, die die Ausnahme (das Verhandlungsverfahren) rechtfertigen.

Um eine eventuelle Innovationskraft der Versicherer auszuschöpfen, ist die Möglichkeit ausreichend und allein geboten, die Einreichung von Nebenangeboten und Änderungsvorschlägen (im offenen Verfahren) zu gestatten. Unzureichend zur Begründung eines Verhandlungsverfahrens ist auf jeden Fall die abstrakte Darstellung neuer Tendenzen auf dem Versicherungsmarkt, die Ausschöpfung der Möglichkeiten, die sich aus der Deregulierung des Versicherungsmarktes ergeben haben oder das Ziel, möglichst weit gehende Zugeständnisse von den Anbietern über ein Nachverhandeln der Angebote zu erreichen.

Hohe prozessuale Risiken für den kommunalen Auftraggeber

Der Versicherer, der die Nachprüfung des Vergabeverfahrens betreibt, braucht keine konkrete und kausale Benachteiligung nachzuweisen. Die für die Wahrung des Wettbewerbs- und Gleichbehandlungsgrundsatzes gefährlichen Interessenkollisionen der vorliegenden Art wirken sich oft erst am Ende des Vergabeverfahrens zum Nachteil eines Bieters mit der Bekanntgabe der beabsichtigten Zuschlagsentscheidung aus. Es kann einem Bieter nicht zugemutet werden, bis zu einem solch späten Zeitpunkt zu warten, obwohl die vom Verfahren her objektiv unzulässige Wettbewerbs- und Interessenkollision seit langem bekannt war. Dies würde dem im Vergaberecht geltenden Beschleunigungsgrundsatz widersprechen und auch dem Normzweck des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entgegenlaufen, wonach ein Bewerber einen erkannten Vergabefehler unverzüglich zu rügen hat und bei dessen Nichtbeachtung der Bieter ein Nachprüfungsrecht verwirkt.

Ein weiterer wichtiger Grund gegen eine konkrete Kausalitätsfeststellung liegt darin, dass es wegen der Wertungs- und Beurteilungsspielräume auf Auftraggeberseite einem Bewerber in der Regel kaum gelingen dürfte, eine tatsächlich geschehene Diskriminierung auch nachzuweisen. Da aber die Benachteiligungsmöglichkeit eines Bieters aus der Sphäre des Auftraggebers stammt, der trotz dessen eigenen wirtschaftlichen Interesses einen Makler mit der Abwicklung des Vergabeverfahrens betraut, rechtfertigt dies eine Beweislastumkehr, d.h. der Auftraggeber muss beweisen, dass der das Nachprüfungsverfahren betreibende Bieter durch die Einschaltung des Versicherungsmaklers nicht benachteiligt worden ist.

Im Allgemeinen ist zudem nicht Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrages, dass der die Rechtswidrigkeit des Verfahrens rügende potentielle Bieter zuvor ein konkretes Angebot abgegeben hat. Dies gilt zumindest dann, wenn aufgrund der Ausschreibungsunterlagen - insbesondere in einem Verhandlungsverfahren - die zukünftige vertragliche Spezifikation nicht genau vorgegeben ist. Es ist einem Unternehmen in der Regel nicht zumutbar, sich unter den von ihm für vergaberechtswidrig gehaltenen Bedingungen mit einem Angebot am Vergabeverfahren zu beteiligen. Deshalb darf die Antragsbefugnis nicht von einer (technisch und kalkulatorisch an sich möglichen) Angebotsabgabe abhängig gemacht werden.

 

 

 

 

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